Hallo H26,
Glückwunsch zu Deinem fundierten und gehaltvollen Posting.
Damit die Sache vollständig wird, würde ich aber noch einen weiteren Punkt (zwischen Deinem 1. und 2., ich nenne es mal 1.5) hinzufügen. Das ist zwar für Leute, die sich mit der Materie auskennen, offensichtlich klar, aber für Einsteiger ist es einer der entscheideneden Punkte zum Verständnis:
----------------
1.5 "Aber bisher hatte ich doch auch kein Echo, warum jetzt plötzlich bei Nutzung von VoIP?"
Wie in 1. geschildert, gibt es bei jeder Telefonverbindung ein Echo. Warum ist das bei POTS kein Problem?
Wie "stark" ein Echo wahrgenommen wird, ergibt sich aus:
- der Laufzeit der Signale
- der Amplitude des Signals
Wie gesagt, entsteht ein Echo dadurch, daß ein Signal vom einen Ende der Verbindung zum anderen Ende läuft (so weit, so gut), dort reflektiert wird und die Leitung wieder zurück zum Ausgangsort läuft, wo es dann abgespielt und gehört wird. Das ist immer so, egal ob VoIP oder PSTN.
Das entscheidende ist jetzt, daß der Mensch ein Signal erst dann als Echo wahrnimmt, wenn die Zeit zwischen "in den Hörer sprechen" und "Echo hören" eine bestimmte Größe übersteigt.
Laufzeiten bis zu 50ms werden z.b. allgemein als "gute" Qualität des Gesprächs wahgenommen. Bei Interkontinentalgesprächen tolerieren die Nutzer meist auch längere Laufzeiten.
Bei PSTN ist der größte Teil der Laufzeit durch die physikalische Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle im Kabel gegeben.
Bei VoIP kommt hier etwas ganz entscheidendes dazu:
Die Daten werden am einen Ende in ein IP-Paket gefüllt. Dieses Paket kann erst abgeschickt werden, wenn es voll ist. Das macht, sagen wir mal, 20ms aus vom Start des Signals bis zum "gefülltsein" des Pakets. (soviel Sprache "passt" in das IP-Paket).
Das gleiche an der Gegenstelle rückwärts: erst wenn das Paket ganz eingetroffen ist, wird es bearbeitet und der Inhalt abgespielt. Das sind schonmal 40ms.
Dort wird es reflektiert, wieder in ein IP-Paket gefüllt, übertragen und dann wieder ausgepackt.
Sind wir also bei 80ms.
Dann rechne noch buffer (ein Paket wird nicht sofort abgespielt), IP-Stack, codierung und dekodierung des Signals und drumherum dazu und du kommst auf die Faustregel, daß die Endgeräte alleine locker 120 ms latency erzeugen können.
[Faustregel: one-way latency kann grundsätzlich nie kleiner als 2-3 Pakete sein: ~60ms.] (dadurch erklärt sich auch, warum Fastpath für VoIP durchaus Sinn macht).
Dazu kommt dann noch die physikalische Laufzeit des Signals, IP-Router usw. Auf 150ms zu kommen ist also kein Kunststück.
Und hier sind noch keinerlei erschwerende Umstände wie verlorene Pakete, hoher Netzwertraffik, etc. berücksichtigt.
Also:
- Echo gibt es immer, es wird erst durch die Verzögerung bei der Wiedergabe störend.
- Das fällt beim POTS aufgrund der niedrigen Signallaufzeit nicht weiter auf. Bei VoIP liegt es aber in der Natur der Sache als paketvermittelter Dienst, daß die Laufzeit _wesentlich_ größer ist.
Es ist also nicht verwunderlich, wenn es bei VoIP Echo gibt, sondern eher, wenn es keins gibt: Denn dann ist ein aktiver Echo-canceller am Werk.
-> hier weiter bei H26 Punkt 2.