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Hier ist also mein Testbericht.
Viel Spass damit,
TSCoreNinja
[edit]2ter Erfahrungsbericht gibt es nun hier[/edit]
Meine Erfahrungen mit dem Siemens Telefon S675-IP
Technische Merkmale
Die Hauptinnovation des S675 IP gegenüber Vorläufer-Produkten von Siemens verbirgt sich hinter dem kryptischen Kürzel HDSP, das für High-Definition Sound Performance steht. Ein paar Google-Suchen später erschließt sich mir auch, was dieses Kürzel technisch bedeutet: einerseits sind die Mobilteile per Funk unter Verwendung des DECT-Nachfolgestandard CAT-iq an die Basis angebunden, der höhere Datenübertragungsraten und weitere Funktionen ermöglicht. Dies wird bei internen und VoIP Gesprächen dazu genutzt, das Sprachsignal 16,000 mal statt 8,000 mal abzutasten, wobei letzteres den Standardwert bei herkömmlicher Telefonie darstellt. Für VoIP Anrufen wird der Codec G.722 verwendet, der es ermöglicht, Tonfrequenzen im Bereich 30-7000 Hertz anstelle der üblichen 150-4000 Hertz zu übertragen.
Somit zieht die Internettelefonie – in der Vergangenheit oft mit Rauschen, Aussetzern und Verzögerungen während des Gesprächs in Verbindung gebracht – von der Sprachqualität an der klassichen Festnetztelefonie vorbei. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass Siemens hier keineswegs alleine dasteht, sondern dass SNOM und Grandstream ebenfalls Internettelefone mit G.722 Unterstützung anbieten. Auch AVM wird hier mit der bisher nur angekündigten Fritz!Box 7270 in Kürze nachziehen. Damit aber Gesprächspartner tatsächlich die verbesserte Qualität genießen können, müssen beide Seiten Geräte mit G.722 Unterstützung verwenden, und der verbindende VoIP Provider muss G.722 Pass-Through anbieten. Der letzte Punkt stellt derzeit noch ein großes Problem dar. Deshalb bietet Siemens mit gigaset.net einen eigenen Dienst an, über den S675 IP und andere Siemens-VoIP-Telefone kostenlos untereinander telefonieren können. Es ist aber zu erwarten, dass in naher Zukunft viele VoIP Anbieter bei der Unterstützung von G.722 nachziehen werden. Bei der Verwendung alter Mobilteile ist natürlich die Nutzung von HDSP ausgeschlossen. Ob zukünfige Mobilteile anderer Hersteller in Verbindung mit der Siemens Basis HDSP unterstützen werden, steht wohl derzeit noch in den Sternen.
Neben HDSP hören sich aber auch die weiteren technischen Daten des S675 IP sehr vielversprechend an: Parallelbetrieb eines analogen Festnetzanschlusses und bis zu 6 VoIP Anbietern, Nutzung von bis zu 6 Mobilteilen, ein digitaler Anrufbeantworter mit 45 Minuten Aufzeichnung, SMS im Festnetz, ECO-DECT zur Reduktion der Sendeleistung, stromsparende Netzteile, um nur ein paar interessante Merkmale zu nennen. Eine komplette Liste findet der interessierte Leser auf den Seiten von Siemens. Im Folgenden will ich nun kritisch hinterfragen, ob Siemens die hoch gesteckten Erwartungen mit diesem Produkt erfüllt. An dieser Stelle mein Dank an Siemens und Rapp Collins, hierzu die Gelegenheit bekommen zu haben.
Äußerer Eindruck
Die Basis des Telefons ist ein kleiner schwarzer, nicht sonderlich auffälliger Kasten. Einziges Bedienelement ist ein rechteckiger, blau beleuchteter Schalter mitten auf der Vorderseite, der lediglich zum Suchen und Anmelden von Mobilteilen verwendet wird. Optisch eleganter sind da schon die silber-schwarzen Mobilteile des Typs S67HL. Verglichen mit aktuellen Mobiltelefonen erscheinen sie zunächst relativ groß, allerdings spielt dies bei einem schnurlosen Telefon sowieso eine untergeordnete Rolle, und vereinfacht die Bedienung durch eine relativ große Fläche für Tastatur und Display . Die Farbdisplays sind gut zu lesen, auffällig ist aber in meinem Fall eine stark unterschiedliche Färbung bei beiden Mobilteilen. Trotz identischer Einstellungen für Kontrast etc., hat das eine Mobilteil einen einen Stick ins bläuliche, das andere einen Stick ins bräunliche. Die Tastatur macht einen guten Eindruck und hat klar definierte Druckpunkte. Allerdings kann mich die Wippe für den Menüzugriff nicht völlig überzeugen. Hier stört mich einerseits die mangelnde Seitenstabilität, aber auch die silber-reflektierende Farbe finde ich optisch gewöhnungsbedürftig, und zu empfindlich für Fingerabdrücke. Komplett von der Basis getrennt werden die Mobilteile auf kleinen Ladeschalen geladen, hier sollte man wegen der – im Verhältnis zur Höhe des Telefons - kleinen Standfläche eine stabile Aufstellung wählen.
Inbetriebnahme
Die Inbetriebnahme des Geräts geht sehr schnell. Nach dem Anschluss an Strom, Ethernet und Telefonbuchse hat sich in meinem Fall die Basis bereits via DHCP ihre Netzwerkeinstellungen bezogen, ebenso wie die Zeit über einen NTP Server. Die Anmeldung des zweiten Mobilteils an der Basis ist gut beschrieben und mit wenigen Handgriffen erledigt, ebenso schnell klappt die Anmeldung eines bereits vorhandenen Samsung DECT Mobilteils. Man sollte direkt die PIN der Basis ändern, die gleichzeitig auch das Passwort für den Zugriff auf das Webinterface zur Konfiguration ist, um hier Mißbrauch auszuschliessen. Vorbildlich ist die Konfiguration von VoIP Konten gelöst, die für praktisch alle deutschen Provider die nötige Konfiguration auf die Eingabe des Kontonamens und des Passworts reduziert, da andere Daten bereits vorgegeben sind. Und schon ist man in der Lage, erste Telefonate über das Festnetz oder einen VoIP Anbieter zu führen. Per Mobilteil oder Webinterface lässt sich die bevorzugte Verbindungsart auswählen, ebenso wie rufnummernabhängige Wahlregeln. Hierbei sollten insbesondere die Notrufe 110 und 112 Beachtung finden, die per Voreinstellung über Festnetz geleitet werden, und bei reiner VoIP Nutzung daher auf einen Anbieter geleitetet werden sollten, der den Notruf unterstützt. Allerdings bleiben nach diesen ersten Einstellungen noch eine Vielzahl von Features und Einstellungsmöglichkeiten, die man im Laufe der Zeit erkunden kann.
Telefonie
Die Telefonieeigenschaften des Telefons lassen praktisch keine Wünsche offen. Durch Verwenden des Suffixes „#N“ (hier steht N für eine Ziffer zwischen 0 und 9) lässt sich bei ausgehenden Gesprächen zwischen Festnetz- und den einprogrammierten VoIP Anbietern auswählen. Eingehende Anrufe werden mit Rufnummer und dem Name des Anbieters angezeigt, über den der Anruf eingeht. Bei Nummern, die im 250 Einträge fassenden Telefonbuch gespeichert sind, wird statt der Nummer der Name des Anrufers verwendet. Eine 30 Einträge fassende Rufliste und ein digitaler Anrufbeantworter informiert über Anrufe in Abwesenheit. Komfortmerkmale wie Anklopfen, Makeln und Konferenz werden unterstützt, sofern der Anbieter dies auch tun.
Leider unterstützt das Telefon nicht die MWI Signalisierung über das SIP Protokoll, worüber viele VoIP Anbieter neue Nachrichten auf Netzanrufbeantwortern anzeigen (getestet mit dus.net). Diese Tatsache dürfte bei einer Nutzung unabhängiger VoIP Anbieter durch mehrere Personen etwas stören, z.B. in einer WG oder in einer Familie mit heranwachsenden Kindern, da dann der interne Anrufbeantworter gemeinsam genutzt werden muss.
Unnötig inkonsistent in der Bedienung erscheint mir die Verwendung von Suffixen für die Auswahl von VoIP Konten im Gegensatz zu Call-by-Call (CbC), wo Präfixnummern verwendet werden. Eventuell wäre eine Vereinigung mit der CbC-Liste sinnvoll, um technologieneutral die Auswahl des Verbindungsanbieters anzubieten. Diese CbC-Liste ermöglicht derzeit das Einprogrammieren von CbC Anbieternamen mit zugehöriger Nummer, die über eine gesonderte Taste schnell ausgewählt und der eigentlichen Telefonnummer vorangestellt werden kann.
Hilfreich für sachkundige Nutzer wären aus meiner Sicht auch erweiterte Überwachungs- und Diagnosemöglichkeiten bei eventuelle VoIP Probleme,wie sie Sipura/Linksys durch die Verwendung des syslog oder AVM durch eine Ereignisanzeige anbieten. Hier ist lediglich die Anzeige der SIP-Fehlercodes auf den Mobilteilen als Option vorhanden.
Auch vermisse ich die Möglichkeit einer Black/Whitelist, um bestimmte Anrufe (z.B. ohne Rufnummer, VIPs, im Telefonbuch) eventuell gar anbieter- oder zeitabhängig abweisen oder durchlassen zu können.
Klang
Die verbesserte Klangqualität wird im Handbuch und auf der Gerätewebseite als Hauptinnovation des Telefons angepriesen. In der Tat ist dies aus meiner Sicht ein herausragendes Merkmal des Telefons, und hat scheinbar bei der Entwicklung sehr viel Beachtung gefunden. Bereits bei Telefonaten ohne Verwendung des Codecs G.722 überzeugt ein sehr geringes Hintergrundrauschen und eine sehr klare Stimmwiedergabe, sowohl bei der normaler Nutzung als auch unter Verwendung der Freisprechfunktion.
Erst im Kontrast zu internen Telefonaten oder Anrufen über gigaset.net fällt einem aber richtig auf, wie stark die Klangqualität bei normalen Telefongesprächen eingeschränkt wird. Gerade weibliche – weil naturbedingt höhere - Stimmen werden deutlich naturgetreuer wiedergegeben, und man hat beinahe das Gefühl, direkt mit dem Gesprächspartner zu reden. Ein interessantes Experiment ist es, testweise ein herkömmliches und das S67 Mobilteil vor einer Lautsprecherbox zu positionieren und zur Übertragung von Musik zum zweiten Mobilteil zu verwenden. Beim herkömmlichen Mobilteil resultiert dies in einem recht blechern klingenden Ton, während das HDSP-fähige Mobilteil die Musik fast naturgetreu wiedergibt. Lediglich eine durch die Größe der Lautsprechermembran bedingt problematische Übertragung von Bässen und ein relativ flacher Dynamikbereich – vermutlich das Resultat einer automatischen Anpassung des Signalpegels - sind hier als Schwächen festzustellen.
Zusätzliche Dienste
Neben der eigentlichen Telefonfunktion bietet das S675 IP eine Vielzahl von weiterten Möglichkeiten. So stehen umfangreiche Organizer-Funktionen wie Adressbuch, Terminkalender und Wecker zur Verfügung. Ans Festnetz angeschlossen ermöglicht es das Versenden von SMS, was mangels Festnetzanschluss von mir nicht getestet werden konnte1. Gewöhnungsbedürftig für Nutzer der Texteingabehilfe T9 dürfte hier allerdings die deutlich anders, aber nach meiner Erfahrung keineswegs schlechter funktionierende Alternative EATONI sein.
Interessant sind auch etliche Funktionen, die erst durch die Netzanbindung des Telefons ermöglicht werden. So steht ein Online-Telefonbuch des Anbieters Klicktel zur Verfügung, über welches man mit Name und Ortsname nach Telefonnummern suchen kann. So praktisch diese Möglichkeit ist, so sehr wünsche ich mir einige Detailverbesserungen: so wäre die Suche mit Postleitzahl und Vorwahl eine interessante Alternative zur Eingabe langer Ortsnamen. Auch wird lediglich der Nachname und nicht der Vorname in das lokale Telefonbuch übernommen. Und während das Klicktel Telefonbuch auch Adressen von Suchergebnissen anzeigt, unterstützt das lokale Telefonbuch das Speichern von Adressdaten leider nicht.
Eine interessante Zusatzfunktion stellt auch die Anzeige von RSS-Newsfeeds und ortsspezifischen Wetterinformationen dar. Allerdings hapert es bei letzterem anscheinend an detailierten Ortsinformationen, so musste ich als Bonner – wahrlich keine Kleinstadt - auf die Vorhersage von Köln ausweichen. Ein Screenshot des Wetterberichts ist als Anhang zu finden.
Das Telefon unterstützt ferner die Benachrichtigung für neue Nachrichten in E-Mailkonten (plus die Anzeige von Absender und Betreff), sowie die Nutzung von Chat-Diensten via Jabber Protokoll. Die Beschränkung auf jeweils nur ein Konto schränkt den praktischen Nutzen allerdings ein, ebenso wie die mangelnde Unterstützung von SSL-Verschlüsselung (z.B. für Googles Dienste zwingend erforderlich). Im Gegensatz zu Adressbuch und Konfiguration von VoIP Providern werden die Accounteinstellungen allerdings für alle Mobilteile gemeinsam vorgegeben, was zusammen mit einer fehlenden Möglichkeit zur Sperrung der Mobilteile mit PIN für einen hinreichenden Schutz der Privatsphäre notwendig wäre.
Zusammenfassung
Insgesamt hat das Siemens S675 IP auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht, und wird in unserem Haushalt die aktuell benutzte Kombination von einer AVM Fritzbox und zwei DECT Telefonen auf das Altenteil schicken. Die im Test geäußerten Kritikpunkte sehe ich hauptsächlich als konstruktive Anregungen für Siemens Entwicklungsabteilung an, und sollten aus meiner Sicht für die meisten Anwender keine Hinderungsgrund für eine Kaufentscheidung sein. Auch hoffe ich, dass die eine oder andere Anregung, die von mir oder den anderen Testern aus dem IPPF geäußert wurde, im Laufe der Zeit ihren Weg in eine zukünftige Firmwareversion findet.
Andererseits hätte Siemens als Einsatzszenario die Nutzung durch mehrere unabhängige Personen mit relativ kleine Verbesserungen deutlich konsequenter umsetzen können. Aus meiner Sicht hätte dann Siemens mit dem Produkt auch eine breitere Zielgruppe im SOHO Bereich abdecken können. Als Schwächen sind hier vor allem die die Beschränkung auf 2 gleichzeitige VoIP Gespräche, ein bisher fehlendes ISDN Pendant, und die oben erwähnten globalen Einstellungen zur Nutzung von Messenging-Funktionen zu nennen.
Wer sich dieses Telefon vor allem ob der verbesserten Klangqualität von HDSP kaufen will, sollte bedenken, dass es derzeit mit der Unterstützung des Codecs G.722 bei Geräteherstellern und VoIP Providern noch relativ schlecht bestellt ist, und man somit fast zwangsläufig auf den gigaset.net Dienst von Siemens und die Verwendung von Siemens-Telefonen angewiesen ist. Damit dürfte dieses Argument vor allem bei der Zielgruppen zählen, die viel Zeit mit einem oder wenigen Personen telefonieren, die einen Breitbandinternetanschluss besitzen und bereit sind, parallel ein solches Telefon anzuschaffen. Das klassische Beispiel unserer Zeit dürfte hier die beruflich bedingten Fernbeziehungen sein. Hier bietet sich dann gar die Möglichkeit, durch die Möglichkeit kostenlose Gespräche Gesprächsgebühren zu sparen, wenn nicht eh schon eine Flatrate genutzt wird. Allerdings bleibt zu hoffen, dass sich in naher Zukunft eine breite anbieterunabhängige Unterstützung für die HDSP zugrundeliegenden Techniken durchsetzt.
Viel Spass damit,
TSCoreNinja
[edit]2ter Erfahrungsbericht gibt es nun hier[/edit]
Meine Erfahrungen mit dem Siemens Telefon S675-IP
Technische Merkmale
Die Hauptinnovation des S675 IP gegenüber Vorläufer-Produkten von Siemens verbirgt sich hinter dem kryptischen Kürzel HDSP, das für High-Definition Sound Performance steht. Ein paar Google-Suchen später erschließt sich mir auch, was dieses Kürzel technisch bedeutet: einerseits sind die Mobilteile per Funk unter Verwendung des DECT-Nachfolgestandard CAT-iq an die Basis angebunden, der höhere Datenübertragungsraten und weitere Funktionen ermöglicht. Dies wird bei internen und VoIP Gesprächen dazu genutzt, das Sprachsignal 16,000 mal statt 8,000 mal abzutasten, wobei letzteres den Standardwert bei herkömmlicher Telefonie darstellt. Für VoIP Anrufen wird der Codec G.722 verwendet, der es ermöglicht, Tonfrequenzen im Bereich 30-7000 Hertz anstelle der üblichen 150-4000 Hertz zu übertragen.
Somit zieht die Internettelefonie – in der Vergangenheit oft mit Rauschen, Aussetzern und Verzögerungen während des Gesprächs in Verbindung gebracht – von der Sprachqualität an der klassichen Festnetztelefonie vorbei. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass Siemens hier keineswegs alleine dasteht, sondern dass SNOM und Grandstream ebenfalls Internettelefone mit G.722 Unterstützung anbieten. Auch AVM wird hier mit der bisher nur angekündigten Fritz!Box 7270 in Kürze nachziehen. Damit aber Gesprächspartner tatsächlich die verbesserte Qualität genießen können, müssen beide Seiten Geräte mit G.722 Unterstützung verwenden, und der verbindende VoIP Provider muss G.722 Pass-Through anbieten. Der letzte Punkt stellt derzeit noch ein großes Problem dar. Deshalb bietet Siemens mit gigaset.net einen eigenen Dienst an, über den S675 IP und andere Siemens-VoIP-Telefone kostenlos untereinander telefonieren können. Es ist aber zu erwarten, dass in naher Zukunft viele VoIP Anbieter bei der Unterstützung von G.722 nachziehen werden. Bei der Verwendung alter Mobilteile ist natürlich die Nutzung von HDSP ausgeschlossen. Ob zukünfige Mobilteile anderer Hersteller in Verbindung mit der Siemens Basis HDSP unterstützen werden, steht wohl derzeit noch in den Sternen.
Neben HDSP hören sich aber auch die weiteren technischen Daten des S675 IP sehr vielversprechend an: Parallelbetrieb eines analogen Festnetzanschlusses und bis zu 6 VoIP Anbietern, Nutzung von bis zu 6 Mobilteilen, ein digitaler Anrufbeantworter mit 45 Minuten Aufzeichnung, SMS im Festnetz, ECO-DECT zur Reduktion der Sendeleistung, stromsparende Netzteile, um nur ein paar interessante Merkmale zu nennen. Eine komplette Liste findet der interessierte Leser auf den Seiten von Siemens. Im Folgenden will ich nun kritisch hinterfragen, ob Siemens die hoch gesteckten Erwartungen mit diesem Produkt erfüllt. An dieser Stelle mein Dank an Siemens und Rapp Collins, hierzu die Gelegenheit bekommen zu haben.
Äußerer Eindruck
Die Basis des Telefons ist ein kleiner schwarzer, nicht sonderlich auffälliger Kasten. Einziges Bedienelement ist ein rechteckiger, blau beleuchteter Schalter mitten auf der Vorderseite, der lediglich zum Suchen und Anmelden von Mobilteilen verwendet wird. Optisch eleganter sind da schon die silber-schwarzen Mobilteile des Typs S67HL. Verglichen mit aktuellen Mobiltelefonen erscheinen sie zunächst relativ groß, allerdings spielt dies bei einem schnurlosen Telefon sowieso eine untergeordnete Rolle, und vereinfacht die Bedienung durch eine relativ große Fläche für Tastatur und Display . Die Farbdisplays sind gut zu lesen, auffällig ist aber in meinem Fall eine stark unterschiedliche Färbung bei beiden Mobilteilen. Trotz identischer Einstellungen für Kontrast etc., hat das eine Mobilteil einen einen Stick ins bläuliche, das andere einen Stick ins bräunliche. Die Tastatur macht einen guten Eindruck und hat klar definierte Druckpunkte. Allerdings kann mich die Wippe für den Menüzugriff nicht völlig überzeugen. Hier stört mich einerseits die mangelnde Seitenstabilität, aber auch die silber-reflektierende Farbe finde ich optisch gewöhnungsbedürftig, und zu empfindlich für Fingerabdrücke. Komplett von der Basis getrennt werden die Mobilteile auf kleinen Ladeschalen geladen, hier sollte man wegen der – im Verhältnis zur Höhe des Telefons - kleinen Standfläche eine stabile Aufstellung wählen.
Inbetriebnahme
Die Inbetriebnahme des Geräts geht sehr schnell. Nach dem Anschluss an Strom, Ethernet und Telefonbuchse hat sich in meinem Fall die Basis bereits via DHCP ihre Netzwerkeinstellungen bezogen, ebenso wie die Zeit über einen NTP Server. Die Anmeldung des zweiten Mobilteils an der Basis ist gut beschrieben und mit wenigen Handgriffen erledigt, ebenso schnell klappt die Anmeldung eines bereits vorhandenen Samsung DECT Mobilteils. Man sollte direkt die PIN der Basis ändern, die gleichzeitig auch das Passwort für den Zugriff auf das Webinterface zur Konfiguration ist, um hier Mißbrauch auszuschliessen. Vorbildlich ist die Konfiguration von VoIP Konten gelöst, die für praktisch alle deutschen Provider die nötige Konfiguration auf die Eingabe des Kontonamens und des Passworts reduziert, da andere Daten bereits vorgegeben sind. Und schon ist man in der Lage, erste Telefonate über das Festnetz oder einen VoIP Anbieter zu führen. Per Mobilteil oder Webinterface lässt sich die bevorzugte Verbindungsart auswählen, ebenso wie rufnummernabhängige Wahlregeln. Hierbei sollten insbesondere die Notrufe 110 und 112 Beachtung finden, die per Voreinstellung über Festnetz geleitet werden, und bei reiner VoIP Nutzung daher auf einen Anbieter geleitetet werden sollten, der den Notruf unterstützt. Allerdings bleiben nach diesen ersten Einstellungen noch eine Vielzahl von Features und Einstellungsmöglichkeiten, die man im Laufe der Zeit erkunden kann.
Telefonie
Die Telefonieeigenschaften des Telefons lassen praktisch keine Wünsche offen. Durch Verwenden des Suffixes „#N“ (hier steht N für eine Ziffer zwischen 0 und 9) lässt sich bei ausgehenden Gesprächen zwischen Festnetz- und den einprogrammierten VoIP Anbietern auswählen. Eingehende Anrufe werden mit Rufnummer und dem Name des Anbieters angezeigt, über den der Anruf eingeht. Bei Nummern, die im 250 Einträge fassenden Telefonbuch gespeichert sind, wird statt der Nummer der Name des Anrufers verwendet. Eine 30 Einträge fassende Rufliste und ein digitaler Anrufbeantworter informiert über Anrufe in Abwesenheit. Komfortmerkmale wie Anklopfen, Makeln und Konferenz werden unterstützt, sofern der Anbieter dies auch tun.
Leider unterstützt das Telefon nicht die MWI Signalisierung über das SIP Protokoll, worüber viele VoIP Anbieter neue Nachrichten auf Netzanrufbeantwortern anzeigen (getestet mit dus.net). Diese Tatsache dürfte bei einer Nutzung unabhängiger VoIP Anbieter durch mehrere Personen etwas stören, z.B. in einer WG oder in einer Familie mit heranwachsenden Kindern, da dann der interne Anrufbeantworter gemeinsam genutzt werden muss.
Unnötig inkonsistent in der Bedienung erscheint mir die Verwendung von Suffixen für die Auswahl von VoIP Konten im Gegensatz zu Call-by-Call (CbC), wo Präfixnummern verwendet werden. Eventuell wäre eine Vereinigung mit der CbC-Liste sinnvoll, um technologieneutral die Auswahl des Verbindungsanbieters anzubieten. Diese CbC-Liste ermöglicht derzeit das Einprogrammieren von CbC Anbieternamen mit zugehöriger Nummer, die über eine gesonderte Taste schnell ausgewählt und der eigentlichen Telefonnummer vorangestellt werden kann.
Hilfreich für sachkundige Nutzer wären aus meiner Sicht auch erweiterte Überwachungs- und Diagnosemöglichkeiten bei eventuelle VoIP Probleme,wie sie Sipura/Linksys durch die Verwendung des syslog oder AVM durch eine Ereignisanzeige anbieten. Hier ist lediglich die Anzeige der SIP-Fehlercodes auf den Mobilteilen als Option vorhanden.
Auch vermisse ich die Möglichkeit einer Black/Whitelist, um bestimmte Anrufe (z.B. ohne Rufnummer, VIPs, im Telefonbuch) eventuell gar anbieter- oder zeitabhängig abweisen oder durchlassen zu können.
Klang
Die verbesserte Klangqualität wird im Handbuch und auf der Gerätewebseite als Hauptinnovation des Telefons angepriesen. In der Tat ist dies aus meiner Sicht ein herausragendes Merkmal des Telefons, und hat scheinbar bei der Entwicklung sehr viel Beachtung gefunden. Bereits bei Telefonaten ohne Verwendung des Codecs G.722 überzeugt ein sehr geringes Hintergrundrauschen und eine sehr klare Stimmwiedergabe, sowohl bei der normaler Nutzung als auch unter Verwendung der Freisprechfunktion.
Erst im Kontrast zu internen Telefonaten oder Anrufen über gigaset.net fällt einem aber richtig auf, wie stark die Klangqualität bei normalen Telefongesprächen eingeschränkt wird. Gerade weibliche – weil naturbedingt höhere - Stimmen werden deutlich naturgetreuer wiedergegeben, und man hat beinahe das Gefühl, direkt mit dem Gesprächspartner zu reden. Ein interessantes Experiment ist es, testweise ein herkömmliches und das S67 Mobilteil vor einer Lautsprecherbox zu positionieren und zur Übertragung von Musik zum zweiten Mobilteil zu verwenden. Beim herkömmlichen Mobilteil resultiert dies in einem recht blechern klingenden Ton, während das HDSP-fähige Mobilteil die Musik fast naturgetreu wiedergibt. Lediglich eine durch die Größe der Lautsprechermembran bedingt problematische Übertragung von Bässen und ein relativ flacher Dynamikbereich – vermutlich das Resultat einer automatischen Anpassung des Signalpegels - sind hier als Schwächen festzustellen.
Zusätzliche Dienste
Neben der eigentlichen Telefonfunktion bietet das S675 IP eine Vielzahl von weiterten Möglichkeiten. So stehen umfangreiche Organizer-Funktionen wie Adressbuch, Terminkalender und Wecker zur Verfügung. Ans Festnetz angeschlossen ermöglicht es das Versenden von SMS, was mangels Festnetzanschluss von mir nicht getestet werden konnte1. Gewöhnungsbedürftig für Nutzer der Texteingabehilfe T9 dürfte hier allerdings die deutlich anders, aber nach meiner Erfahrung keineswegs schlechter funktionierende Alternative EATONI sein.
Interessant sind auch etliche Funktionen, die erst durch die Netzanbindung des Telefons ermöglicht werden. So steht ein Online-Telefonbuch des Anbieters Klicktel zur Verfügung, über welches man mit Name und Ortsname nach Telefonnummern suchen kann. So praktisch diese Möglichkeit ist, so sehr wünsche ich mir einige Detailverbesserungen: so wäre die Suche mit Postleitzahl und Vorwahl eine interessante Alternative zur Eingabe langer Ortsnamen. Auch wird lediglich der Nachname und nicht der Vorname in das lokale Telefonbuch übernommen. Und während das Klicktel Telefonbuch auch Adressen von Suchergebnissen anzeigt, unterstützt das lokale Telefonbuch das Speichern von Adressdaten leider nicht.
Eine interessante Zusatzfunktion stellt auch die Anzeige von RSS-Newsfeeds und ortsspezifischen Wetterinformationen dar. Allerdings hapert es bei letzterem anscheinend an detailierten Ortsinformationen, so musste ich als Bonner – wahrlich keine Kleinstadt - auf die Vorhersage von Köln ausweichen. Ein Screenshot des Wetterberichts ist als Anhang zu finden.
Das Telefon unterstützt ferner die Benachrichtigung für neue Nachrichten in E-Mailkonten (plus die Anzeige von Absender und Betreff), sowie die Nutzung von Chat-Diensten via Jabber Protokoll. Die Beschränkung auf jeweils nur ein Konto schränkt den praktischen Nutzen allerdings ein, ebenso wie die mangelnde Unterstützung von SSL-Verschlüsselung (z.B. für Googles Dienste zwingend erforderlich). Im Gegensatz zu Adressbuch und Konfiguration von VoIP Providern werden die Accounteinstellungen allerdings für alle Mobilteile gemeinsam vorgegeben, was zusammen mit einer fehlenden Möglichkeit zur Sperrung der Mobilteile mit PIN für einen hinreichenden Schutz der Privatsphäre notwendig wäre.
Zusammenfassung
Insgesamt hat das Siemens S675 IP auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht, und wird in unserem Haushalt die aktuell benutzte Kombination von einer AVM Fritzbox und zwei DECT Telefonen auf das Altenteil schicken. Die im Test geäußerten Kritikpunkte sehe ich hauptsächlich als konstruktive Anregungen für Siemens Entwicklungsabteilung an, und sollten aus meiner Sicht für die meisten Anwender keine Hinderungsgrund für eine Kaufentscheidung sein. Auch hoffe ich, dass die eine oder andere Anregung, die von mir oder den anderen Testern aus dem IPPF geäußert wurde, im Laufe der Zeit ihren Weg in eine zukünftige Firmwareversion findet.
Andererseits hätte Siemens als Einsatzszenario die Nutzung durch mehrere unabhängige Personen mit relativ kleine Verbesserungen deutlich konsequenter umsetzen können. Aus meiner Sicht hätte dann Siemens mit dem Produkt auch eine breitere Zielgruppe im SOHO Bereich abdecken können. Als Schwächen sind hier vor allem die die Beschränkung auf 2 gleichzeitige VoIP Gespräche, ein bisher fehlendes ISDN Pendant, und die oben erwähnten globalen Einstellungen zur Nutzung von Messenging-Funktionen zu nennen.
Wer sich dieses Telefon vor allem ob der verbesserten Klangqualität von HDSP kaufen will, sollte bedenken, dass es derzeit mit der Unterstützung des Codecs G.722 bei Geräteherstellern und VoIP Providern noch relativ schlecht bestellt ist, und man somit fast zwangsläufig auf den gigaset.net Dienst von Siemens und die Verwendung von Siemens-Telefonen angewiesen ist. Damit dürfte dieses Argument vor allem bei der Zielgruppen zählen, die viel Zeit mit einem oder wenigen Personen telefonieren, die einen Breitbandinternetanschluss besitzen und bereit sind, parallel ein solches Telefon anzuschaffen. Das klassische Beispiel unserer Zeit dürfte hier die beruflich bedingten Fernbeziehungen sein. Hier bietet sich dann gar die Möglichkeit, durch die Möglichkeit kostenlose Gespräche Gesprächsgebühren zu sparen, wenn nicht eh schon eine Flatrate genutzt wird. Allerdings bleibt zu hoffen, dass sich in naher Zukunft eine breite anbieterunabhängige Unterstützung für die HDSP zugrundeliegenden Techniken durchsetzt.
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